Aktuelles

  • Grundsätzliches zum sogenannten EuropaWahlProgramm

    Wer sich mit dem Europaprogramm der AfD beschäftigen möchte, darf nicht nur in das „Europawahlprogramm 2024“ schauen, sondern sich auch mit der Vorgeschichte dieses Programms und mit den Kandidaten befassen. Zugleich muss beachtet werden, dass die AfD manches öffentlich nicht sagt, was sie hinter vorgehaltener Hand und in ihren „privaten“ Treffen miteinander be- und abspricht. Spätestens seit der Veröffentlichung des Geheimtreffens in „Correctiv“ zeigte sich, dass die AfD nicht alles öffentlich sagt, was sie insgeheim vorhat. Insgesamt hat sich die AfD damit immer mehr der (marginalisierten) NPD angeglichen und damit vor allem in Sachsen – folgt man den Wahlprognosen – ein bedeutendes Wählerpotential geschaffen. Um den Bayerischen Rundfunk zu zitieren: „Insgesamt war die Europawahlversammlung [im Juli 2023 J.H.] geprägt von Stimmen am äußersten rechten Rand. Es wurden Flüchtlinge und Migranten pauschal verunglimpft, eine `Festung Europa´ gefordert und vor einer angeblichen Machtergreifung durch die EU gewarnt. Was früher nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wurde, wird jetzt auf offener Bühne gesagt. Der radikale Ton, wie ihn Höcke prägt, durchzog die Reden und oft wurde an den radikalsten Stellen am lautesten geklatscht. Deshalb spielt es für das Höcke-Lager keine Rolle, dass sie die radikaleren Formulierungen in der Präambel nicht durchbekommen haben. Viele der Kandidaten vertreten diese Positionen…. Gefragt danach, welchen Ton die Kandidaten aus seiner Sicht dann im Wahlkampf anschlagen sollten, sagt Spitzenkandidat Maximilian Krah, man werde jetzt schauen, welche Begrifflichkeiten vom Programm gedeckt sind und wo man aufpassen müsse. `Da machen wir sicherlich nochmal mit den Kandidaten einen entsprechenden Workshop´, so Krah. Die Leitplanke sei das, was im Programm stehe.“[2] Das verabschiedete Europa-„Wahlprogramm“ der AfD und das, was die Kandidaten öffentlich sagen, ist also nur bedingt tauglich, um die tatsächlichen Absichten der AfD zu erfahren. Ich möchte mir deshalb nicht nur das verabschiedete „Wahl“-Programm, sondern auch  die Haltung des „Spitzenkandidaten“ Maximilian Krah anschauen.

    Einzelpunkte des Europa“Wahl“Programms[3]

    Im sogenannten EuropaWahlProgramm der AfD wird gleich zu Anfang „Das vollständige Versagen der EU in allen Bereichen, die Europa existenziell betreffen“ behauptet. „Exemplarisch“ wird die sogenannte „Masseneinwanderung“, das sogenannte „Dogma des menschengemachten Klimawandels“, der Euro, die Nato, der Europäische Gerichtshof genannt. Damit werden sämtliche Themen und Institutionen „exemplarisch“ genannt und abgelehnt, die den zentralen Kern der EU ausmachen. Der eigentliche Kritikpunkt und damit das eigentliche Programm wird allerdings ohne eine eigene Überschrift genannt: Hatten im Vorfeld einige – allen voran Frau Alice Weidel – den Austritt Deutschlands aus der EU („DEXIT“) und danach „die geordnete Auflösung der EU“ (siehe Leitantrag der AfD zur Europawahl[4]) gefordert, so wird nun behauptet: „Die EU ist ein undemokratisches und reformunfähiges Konstrukt“. Diese Behauptung durchzieht alle Punkte des AfD-EuropaWahlProgrammes2024. Die AfD tritt gegen eine sogenannte „Schuld- und Schamkultur“ an. Damit soll die Tatsache der Gewalt durch den Kolonianismus „den historischen Tatsachen“ der AfD weichen. Damit stellt sich die Frage, warum die AfD sich überhaupt zur Wahl für das Europaparlament stellt, wenn sie sich an einem in ihren Augen völlig „undemokratischen“ Vorgang beteiligt.

    Was will die AfD im Europaparlament?

    Darauf gibt die AfD gleich zu Anfang ihres Wahlprogramms die Antwort; sie will die Zerstörung der EU von innen heraus. Sie tritt also nicht für das Verlassen Deutschlands aus der EU ein, sondern für deren Zerstörung: „Angesichts der Tatsache, dass die EU nicht reformierbar ist, treten wir für die Gründung eines Bundes europäischer Nationen ein. Die Entscheidung über eine neue Form des Zusammenlebens der Völker in Europa darf in Deutschland nach Vorstellung der AfD nur durch eine Volksabstimmung getroffen werden.“ Damit ist die Beseitigung eines „Staaten“Bundes“ zugunsten eines „Nationen“Bundes ausgesprochen. Was die AfD damit meint, zeigt ihr Grundsatzprogramm. Dazu ein Zitat aus dem Begriffslexikon der politischen Bildung: „Der im Grundsatzprogramm der AfD so verwendete Begriff eines `souveränen Deutschland als Nationalstaat des deutschen Volkes´ kehrt zum Verständnis eines deutschen Nationalstaats des frühen 19. Jahrhunderts zurück und ignoriert die vielfachen Souveränitätseinschränkungen eines jeden Nationalstaats des 21. Jahrhunderts durch internationale Verträge, durch Mitgliedschaften in internationalen Organisationen und etwa der EU und durch wechselseitige Wirtschafts-, Handels- und Finanzabhängigkeiten. Insofern stellt das Bekenntnis der AfD nichts als ein längst vergangenes Abziehbild aus einem Poesiealbum des 19. Jahrhunderts dar. Indem das oben zitierte Grundsatzprogramm seinen Begriff des Nationalstaates auf das `deutsche Volk´ bezieht, erhält dieser Begriff eine völkische Konnotation aus der alldeutschen Bewegung am Ende des 19. Jahrhunderts – `Deutschland den Deutschen´ [5]. Wie sehr diese völkische Definition des Nationenbegriffs der AfD sich einem nationalsozialistischen Rassismus nähert, verdeutlicht der Satz des stellvertretenden AfD-Bundesvorsitzenden Alexander Gauland, er verstünde die Leute, die den Fußballspieler Boateng nicht als Nachbarn haben wollten [6]. Später distanzierte er sich mit dem Hinweis, dass er Boateng nicht habe beleidigen wollen, dessen `gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis´ ihm bekannt seien. Boateng ist zwar in Berlin als Sohn einer deutschen Mutter geboren und mit der Muttersprache Deutsch aufgewachsen, aber als Sohn eines ghanaischen Vaters nicht so `reinen deutschen Bluts´ wie der `reinrassige´ Gauland und `beschmutzt´ daher die weitere `reinrassige´ Wohnnachbarschaft Boatengs in München-Bogenhausen – nur so ist der in bekannter AfD-Perfidie sublimierte Subtext von Gaulands Aussage zu verstehen.“[7] Mit diesem völkischen Nationbegriff ist natürlich das jetzige Europa als Staatengemeinschaft unvereinbar. Es gelte, der Aushöhlung der nationalen Leitkultur entgegenzuwirken. Die AfD schließt auf dem Weg der Zerstörung Europas Millionen Deutsche als „nichtvölkisch“ aus. Das wird von ihren Vertretern deutlich gesagt, wenn sie Millionen von Deutschen „remigrieren“ wollen: „Wir wollen Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“[8] Und Björn Höcke rechnet mit „bis zu rund 25 Millionen Menschen weniger im Land“, wie die Zeitung „Der Westen“ ausgerechnet hat. [9] Damit müssen auch Deutsche mit einem Deutschen Pass gemeint sein. Das erinnert an die NS-Vergangenheit, die ebenfalls eine massenweise Vertreibung von missliebigen Deutschen geplant hatten [10]. Damit wird der Begriff „Remigration“, der die Rückkehr der von der NS verfolgten Deutschen bezeichnet, pervertiert: Die Angst und Sorge unserer jüdischen Mitmenschen vor einem solchen Deutschland und vor einem solchen Europa kann wohl jeder mit genügendem geschichtlichen Wissen nachvollziehen.[11a], [11b], [11c].

    Was ist das Ziel der AfD durch die Europawahl?

    Damit ist deutlich geworden, wohin die AfD mit ihrem Wahlkampf zielt. Einige Beispiele:

    1)Es geht der AfD nicht um die Arbeit für Europa, sondern um die Zerstörung der EU zugunsten eines „reinrassigen“ Deutschlands! Und diesem Ziel dienen die Kandidaten, die sich zur diesjährigen Europawahl stellen.

    1a)In manchen Punkten wird bereits Konkretes benannt: „Solange die Fehlkonstruktion EU fortbesteht, werden wir uns dafür einsetzen, weitere Einschränkungen der nationalen Souveränität und weitere Umverteilungen von Wohlstand und Vermögen unserer Bürger durch EURegelungen zu verhindern.“

    1b)Als weitere Zwischenschritte bis zu völligen Zerstörung der EU werden genannt: „Das undemokratisch gewählte EU-Parlament wollen wir abschaffen. Die Rechtsetzungskompetenz wird bis zur Neuordnung der Verhältnisse allein dem Rat übertragen, dessen Mitglieder in ihrem Stimmverhalten jedoch an Entscheidungen der nationalen Parlamente gebunden werden müssen.“ Und weiter: „Bis zur Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft werden wir jede Verkleinerung des administrativen Apparats unterstützen. Die Förderung von Europaparteien und deren Stiftungen aus Steuermitteln muss beendet werden.“ Damit sollen also nur noch die Parteien unterstützt werden, die sich der Zerstörung der Europäischen Gemeinschaft verschrieben haben.

    2)Der Kampf der AfD in Europa gegen den „muslimischen Antisemitismus“ dient nur der Verbrämung ihrer Migrationsfeindlichkeit und ihres eigenen Antisemitismus. – Höcke: „Denkmal der Schande“, „Umkehrung Deutscher Erinnerungskultur um 180 Grad“ usw.; Gauland: Vernichtung von Millionen Juden sei nur ein „Fliegenschiss“ in der Deutschen Geschichte usw.; Wolfgang Gedeon: „Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes.“[12] „Es ist an Dreistigkeit und Verlogenheit kaum zu übertreffen, wie die AfD die berechtigten Sorgen jüdischer Menschen vor Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland für ihre Zwecke missbraucht.“(Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München[13]), Wie heute für die Deutschen Bischöfe war für Frau Knobloch bereits vor 7 Jahren die AfD aufgrund ihres Antisemitismus für jüdische Menschen „nicht wählbar“.[14] Und wie Armin Laschet feststellte: „der Antisemitismus ist kein Migrationsproblem“.[15]

    Beispiel: Spitzenkandidat Maximilian Krah

    Ein typischer Vertreter dieser völkischen Idee ist der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl. Krah ist aktiver Sympathisant des Antisemitismus. So hat er Guillaume Pradoura in seinem Brüsseler Büro eingestellt. „Pikant“: Pradoura war (vermutlich wegen seines offenen Antisemitismus) als Mitarbeiter eines Rassemblement National-Politikers Nicolas Bay in Brüssel entlassen worden[16a] [16b]. Krah „glänzt“ durch seinen Rassismus. So behauptet er in einem Tweet auf „x“, weil die Ministerin Toure von den Grünen „schwarz“ sei, habe sie die „Veranlagung“ zur „Korruption“. Nachdem (vermutlich) ein Parteifreund ihn darauf hinweist, dass dieser Rassismus ihm auf die Füsse fallen könne, bekräftigt Krah: „Lösen Sie sich von Ihrer inneren Angst, die Wahrheit auszusprechen!“ Dass „Korruption“ zur „Ethnie“ (Afrikaner und Afghane) gehöre, sei die „Realität“.[17] Diesen offenen Rassismus verkündet Krah wie ein Sektenführer: „Rechte Politik ist die einzige Zukunft für Europa.“ Er macht mit Falschbehauptungen Stimmung gegen Ausländer.[18] Laut Verfassungsschutzbericht vertritt Krah den völkischen Nationalismus der NSDAP: „Umvolkung bezeichnet ein Regierungshandeln, das eine grundlegende Veränderung der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung eines bestimmten Gebietes bewirkt.“ Und diese „Umvolkung“ gelte es zu verhindern.[19]

    Maximilian Krah ist zwar als Sohn des ehemaligen Mitglieds des Diözesanrates im Bistum Dresden-Meissen katholisch getauft, ist aber nur durch seine antikatholische Haltung bekannt. Er bezeichnet die katholische Kirche als „gottlos“ und möchte sie für seine völkisch-rassistischen Absichten gerne vereinnahmen.[20] Im übrigen fiel Herr Krah im Europaparlament bisher nur durch seine Gegenstimmen oder seine Abwesenheit auf [21].

    Fazit

    Die AfD will die Europäische Union zerstören zugunsten eines völkisch aufgestellten Deutschlands, in dem eine von der AfD definierten Rasse als Zugehörigkeit das Kriterium ist. Es gilt alle als „Fremdkultur“ empfundenen Menschen von Deutschland fernzuhalten. Die Kandidaten der AfD treten dafür ein, die Zerstörung der EU von innen damit zu beginnen, dass Deutschland die Zahlungen an die EU einstellt. Das Europaparlament soll zerschlagen werden. Die Förderung der Gruppierungen und Parteien, die sich nicht der Zerschlagung der EU zur Verfügung stellen, soll eingestellt werden. Der Antisemitismus und die Ausländerfeindlichkeit der AfD wird getarnt mit einem vermeintlichen Kampf gegen islamischen Antisemitismus. Die AfD ist für Katholiken nicht wählbar.

    Anmerkungen

    [1] Vgl. auch https://www.youtube.com/watch?v=2YCScM7qd8ghttps://www.youtube.com/watch?v=SaMgMC0sbuk – zuletzt aufgerufen am 28.03.2024.

    [2] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/afd-radikale-reden-und-ein-entschaerftes-eu-wahlprogramm,TmAPvo7 zuletzt abgerufen am 28.03.2024.

    [3] https://www.afd.de/europawahlprogramm2024/ – Ich zitiere das Europawahlprogramm und das Grundsatzprogramm der AfD ohne Angabe der Seitenzahl.

    [4] https://www.afd.de/wp-content/uploads/2023/06/2023-06-14_Leitantrag-Europawahlprogramm_.pdf – zuletzt aufgerufen am 28.03.2024.

    [5] Damit wurde unterstellt, dass Deutschland nicht den Deutschen (im völkischen Sinne) gehöre; vielmehr gäbe es hier Juden, Polen, Dänen usw., die den Deutschen das Besitzrecht über ihr eigenes Land streitig machen würden. (J.H)

    [6] Gauland: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-vize-gauland-beleidigt-jerome-boateng-14257743.html – zuletzt aufgerufen am 26.03.2024).

    [7] https://www.bpb.de/themen/parteien/rechtspopulismus/246806/nation-eine-bgriffsbestimmung-aus-aktuellem-anlass/ – zuletzt abgerufen am 26.03.2024.

    [8] Rene Springer, Vorsitzender der AfD Brandenburg, 10.01.2024 auf seinem X-Account.

    [9] https://www.derwesten.de/politik/afd-hoecke-remigration-deportation-auslaender-raus-e-id300814756.html – zuletzt aufgerufen am 28.03.2024.

    [10] https://www.bpb.de/themen/holocaust/gerettete-geschichten/177625/vertreibung-und-vernichtung-der-juden-aus-dem-deutschen-reich/ – zuletzt abgerufen am 28.03.2024.

    [11] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/judische-organisationen-warnen-vor-der-afd/https://www.welt.de/politik/deutschland/article234946436/Antisemitismus-AfD-Anhaenger-stimmen-Aussagen-besonders-haeufig-zu.htmlhttps://www.youtube.com/watch?v=JaR9nZBAHDM – zuletzt aufgerufen am 28.02.2024.

    [12] https://www.wolfgang-gedeon.de/anschuldigungen/feind/ – zuletzt aufgerufen am 28.02.2024.

    [13] https://www.n-tv.de/ticker/AfD-missbraucht-Antisemitismus-fuer-ihre-Zwecke-article19782618.html – zuletzt aufgerufen am 28.03.2024.

    [14] https://www.n-tv.de/ticker/AfD-missbraucht-Antisemitismus-fuer-ihre-Zwecke-article19782618.html – zuletzt aufgerufen am 28.03.2024.

    [15] https://www.youtube.com/watch?v=ZBs9RN94Y5w – zuletzt aufgerufen am 28.03.2024.

    [16] https://www.belltower.news/europaparlament-offenbar-stellt-maximillian-krah-franzoesischen-antisemitischen-ib-mitbegruender-ein-88761/  – https://www.tag24.de/dresden/dresden-bruessel-europa-abgeordneter-maximilian-krah-guillaume-pradoura-1155875 – zuletzt abgerufen am 28.03.2024.

    [17] facebook-posting unter @kramax vom 29.01.2024 / Screenshot vom 24.02.2024.

    [18] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-in-sachsen-verbreitet-erfundene-zahlen-ueber-vergewaltigungen-durch-migranten-dabei-ist-die-wirklichkeit-genau-umgekehrt-a-766ae495-72eb-4c8f-bfe7-ac55da2d7f00 – zuletzt abgerufen am 28.03.2024.

    [19] https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-verfassungsschutz-gutachten-zur-afd/ – aufgerufen am 28.03.2024.

    [20] https://www.youtube.com/shorts/f-sSi6ui_Gs – zuletzt aufgerufen am 29.03.2024.

    [21] ][https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/maximilian-krah/abstimmungen?parliament_period=All&vote=All – zuletzt abgerufen am 28.03.2024.

    Dr. Johannes Hintzen

  • Beurteilung ausgewählter Aspekte der Wahlprogramme zur Europawahl am 09.06.2024 der Parteien (im Kontext zu den Grundsatzprogrammen), die im Wettbewerb mit der Union stehen und im Bundestag als Fraktion oder Gruppe vertreten sind (in alphabetischer Reihenfolge).

    Dabei wird u.a. die katholische Soziallehre z.B. das Subsidiaritätsprinzip und insbesondere die jüngste Erklärung des DIKASTERIUM FÜR DIE GLAUBENSLEHRE „Dignitas infinita über die menschliche Würde“ vom 25.03.2024 als Maßstab herangezogen. Diese betont z.B. „Die Kirche hört nicht auf, daran zu erinnern, dass „die Würde eines jeden Menschen einen intrinsischen Charakter hat und sie gilt von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod.“.

    In unserem Land ist die Menschenwürde insbesondere durch vorgeburtliche Kindstötung, Leihmutterschaft, die den Menschen zur Ware macht, und aktive Sterbehilfe bedroht.


    AfD

    Unser Mitglied Dr. Johannes Hintzen hat sich das Europawahlprogramm der AfD im Zusammenhang der Gesamterscheinung der Partei angesehen

    BSW:

    Das Programm der BSW umfasst nur 20 Seiten. Es kritisiert die derzeitige EU-Politik und unterbreitet Vorschläge für Reformen. Dabei wird eine Stärkung der nationalen Staaten im Vergleich zu EU gefordert, z.B.: „Die EU-Struktur- und Regionalfonds können nationale Strukturpolitik nicht ersetzen und die vielfach durch die Kürzungspolitik entstandenen Löcher nicht stopfen. Daher müssen die nationalen Förderprogramme hochgefahren werden.“ Das würde die Subsidiarität stärken, ist also zu begrüßen. An andere Stelle wird das noch mal betont: „Subsidiarität statt EU-Zentralismus: Was lokal, regional oder nationalstaatlich besser und demokratischer regelbar ist, darf nicht der Regelungswut der EU-Technokratie überlassen werden.“

    BSW will die europäische Schuldenbremse aufweichen, Banken stärker regulieren und Unternehmen stärker besteuern. Das bedeutet, auf Kosten der kommenden Generationen zu leben und ist nicht nachhaltig.

    Europa soll sich insbesondere bei der Digitalisierung von den USA emanzipieren. 

    BSW will auch ein striktere Migrationspolitik, z.B. „Die Asyl- und Prüfverfahren zum Schutzstatus sollten daher an den EU-Außengrenzen oder in Drittländern erfolgen.“

    Ethische Fragen wie z.B. des Schutzes des ungeborenen Lebens, oder der Sterbehilfe werden im Programm des BSW nicht behandelt. Es wird aber davon auszugehen sein, dass die Ansichten der Kandidaten den Standpunkten der Linkspartei, aus der das BSW hervorgegangen ist, sehr ähnlich sein und deren Anträgen z.B. zu europaweiten Legalisierung von vorgeburtlichen Kindstötungen unterstützen werden. Siehe Ausführungen zur Linkspartei.

    Bündnis 90/Die Grünen

    Das Europawahlprogramm der Grünen ist mit 114 Seiten das detaillierteste und will das Leben der Menschen umfassend regeln und gängeln. Als Begründung dient die sogenannte „Klimakrise“ als zentrales Thema und den „Klimazielen“ sollen sich alle Lebensbereiche unterordnen.

    Die Grünen lehnen das Lebensrecht ungeborener Menschen und damit ihre Menschenwürde ab:

    „Reproduktive Rechte, besonders das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, sind Menschenrechte und müssen für alle und in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten.“

    „Die Initiative, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der EU-Grundrechtecharta zu verankern, unterstützen wir.“ (S. 91)

    Das resultiert aus dem Grundsatzprogramm, Punkt 199: „Dieses Recht zu realisieren ist Teil einer guten öffentlichen Gesundheitsversorgung. Zu ihr zählen auch selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche, die nichts im Strafgesetzbuch verloren haben und deren Kosten grundsätzlich übernommen werden müssen.“

    Die finanzielle Ausstattung der EU soll z.B. durch gemeinsame Anleihen verbessert werden, die Banken- und Kapitalmarktunion soll vollendet werden. Das bedeutet mehr Zentralisierung und weniger Subsidiarität.

    Die trotz zahlreicher Warnungen von Fachleuten durchgesetzte Legalisierung von Cannabis soll europaweit, umgesetzt werden. Auch das bedeutet weniger Subsidiarität.

    Die Linke:

    Auch die Linke lehnt das Lebensrecht ungeborener Menschen und damit ihre Menschenwürde ab und möchte, dass Europa in die Zuständigkeiten der Mitgliedsländer eingreift, was ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip ist:

    „Reproduktive Rechte in ganz Europa stärken. Abschaffung aller Einschränkungen des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in den Strafgesetzbüchern der EU-Mitgliedsländer.

    Finanzielle Unterstützung von Bündnissen für sexuelle und körperliche Selbstbestimmung sowie von Medizinstudierenden und Ärzt*innen, die sich für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs einsetzen.“

    „Sicherer und kostenloser Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen überall in Europa.“ (S.82). Das wird auch vom Grundsatzprogramm gestützt: „Wir setzen uns für ein selbstbestimmtes solidarisches Leben und für die Streichung des Schwangerschaftsabbruches als Straftatbestand (§ 218) aus dem Strafgesetzbuch ein.“ (S. 51)

    Ein ganzer Absatz ist der „Queer“-Politik gewidmet, wobei eine Reform des Abstammungsrechtes z.B. die Stiefkindadoption ersetzen soll.

    Das EU-Wahlprogramm der Linken umfasst 96 Seiten. Es setzt auf mehr Staat, sozialistische Umverteilung, weniger Arbeit und höhere Löhne z.B.: „Eine 4-Tage-Woche ist genug: kurze Vollzeit für alle bei vollem Lohn- und notwendigem Personalausgleich.“. Insgesamt werden weitgehende Eingriffe in das Wirtschaftsleben gefordert einschließlich eine höheren Verschuldungsmöglichkeit der Staaten und höhere Unternehmenssteuern. Viele planwirtschaftliche Maßnahmen werden mit dem Klimawandel begründet.

    Die Linke plädiert für eine Verdopplung des EU-Haushaltes, die Möglichkeit, dass die EU selbst Schulden aufnimmt und die direkte Finanzierung der EU und der Mitgliedsstaaten durch die Europäische Zentralbank. Die Linke will also mehr zentrale Macht und weniger subsidiäre Möglichkeiten.

    FDP:

    Die FDP fordert die Gewährung reproduktiver Rechte, ohne das Lebensrecht ungeborener Menschen zu berücksichtigen:

    „Wir fordern, dass das Recht auf die gesundheitliche Versorgung mit einem sicheren Schwangerschaftsabbruch in Europa gewährleistet werden muss und dass die reproduktiven Rechte in allen Mitgliedstaaten geachtet werden müssen.“ (S. 12)

    Die FDP möchte die Leihmutterschaft („Die Praxis der Leihmutterschaft verletzt in erster Linie die Würde des Kindes.“ Dignitas infinita 49) ausweiten und mittelbar in allen Mitgliedsländern legalisieren:

    „Reproduktive Rechte wie Eizellspende und altruistische Leihmutterschaft müssen, wenn sie in einem EU-Mitgliedstaat rechtmäßig in Anspruch genommen wurden, in anderen EU-Staaten geachtet werden und dürfen für ihre Staatsbürger nicht unter Strafe gestellt werden.“ (S. 11).

    In dem 21-seitigen Programm wird mehr Marktwirtschaft mehr Freihandel und mehr Subsidiarität gefordert: „Europa muss einfacher werden. Dazu zählt für uns auch die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips.“

    Die Legalisierung von Cannabis soll den Mitgliedsländern ermöglicht werden.

    SPD:

    Die SPD lehnt das Lebensrecht ungeborener Menschen und damit ihre Menschenwürde ab:

    „Wir fordern eine EU-Charta der Frauenrechte. Wir brauchen einen Katalog zu schützender Grundrechte, absoluter Mindeststandards, wie z. B. den universellen Zugang zu Verhütung, sexueller und reproduktiver Gesundheit, und Rechte, einschließlich reproduktiver Selbstbestimmung sowie sicherer und legaler Schwangerschaftsabbrüche sowie Sexual- und Beziehungserziehung. Auch streben wir an, dass es langfristig kostenlosen, niedrigschwelligen Zugang zu Abtreibungsmittel wie der „Pille Danach“ gibt. Auch sichere Schwangerschaftsabbrüche sollten in der EU möglichst allen Menschen kostenlos zu Verfügung stehen, um reproduktive Selbstbestimmung und Gesundheit sicherstellen zu können. Ziel muss sein: Rechte zu schützen, auszubauen und festzuschreiben. Das Recht auf sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch soll zudem auch in der EU-Grundrechtecharta verankert werden.“ (S. 35)

    Das Programm ist mit 39 Seiten weniger umfangreich als das der Grünen sieht aber die Zukunft auch in der Klimaneutralität, wenn auch nicht in der totalen Detailliertheit wie im Programm der Grünen.

    Wie bei den Grünen soll Cannabis europaweit legalisiert werden.

  • „Die katholische Soziallehre und insbesondere die neueste Erklärung des Vatikans „Dignitas infinita“ ist eine gute Entscheidungshilfe für die Europawahl.“ meint Dr. Holger Rautschek, Pressesprecher des Katholischen Arbeitskreises in der Sächsischen Union. In diesem Sinne haben wir uns die Wahlprogramme der Parteien, die im Wettbewerb mit der Union stehen und im Bundestag als Fraktion oder Gruppe vertreten sind, angesehen, und an wenigen Beispielen durch die Brille der katholischen Soziallehre beurteilt und diese Beispiele auf unserer Homepage „ka-sachsen.de“ dokumentiert.


    „Dignitas infinita“ betont die Absolutheit der menschlichen Würde unabhängig von allen Umständen, das heißt ausdrücklich von der Zeugung bis zum natürlichen Tod. Besonders kritisch sehen wir deshalb Forderungen, die Möglichkeit der Tötung ungeborener Menschen in der EU-Grundrechtscharta zu verankern, wie es Grüne und SPD fordern. Linke und FDP sehen das ähnlich, wenn auch kein „Grundrecht“ ausdrücklich gefordert wird.

    Die Pastoralkonstitution des II. Vatikanum „Gaudium et Spes“ betont die Verantwortung der Bürger: „Alle Staatsbürger aber sollen daran denken, von Recht und Pflicht der freien Wahl Gebrauch zu machen zur Förderung des Gemeinwohls.“

    24.05.2024

  • Unter dem Motto „Sachsen in der EU – EU in Sachsen“ hatte der der Katholische Arbeitskreis (KA) in der CDU Sachsen am 2. Mai zu einem Informations- und Diskussionsabend mit dem sächsischen Spitzenkandidaten Staatsminister Oliver Schenk nach Leisnig eingeladen. KA-Vorsitzender Mathias Kretschmer erwähnte in seiner Begrüßung, dass die EU-Politik auf allen Ebenen auch in den Kommunen wirksam ist.

    Oliver Schenk, Mathias Kretschmer

    Daran knüpfte Oliver Schenk an. Es muss stärker bewusst und kommuniziert werden, wie wichtig die Politik der EU für jeden Bürger ist. Sachsen hat nach der Wiedervereinigung sehr von EU-Fördermitteln profitiert und ist heute einer der modernsten Wirtschaftsstandorte in Europa (z.B. Chipproduktion, jeder dritte Microchip in der EU kommt aus Sachsen). Sachsen ist auch ein Scharnier zwischen Ost und West in der EU, wie die Feiern zum 20-jährigen EU-Beitritt von Polen und Tschechien zeigten.

    Die EU hat nur 7% der Weltbevölkerung. Aber wenn die EU als ein Staat auftritt, ist sie mit 450 Millionen Einwohnern nach Indien und China der drittgrößte Staat der Welt! Das zeigt das Potential, das in dieser Gemeinschaft steckt. Aber wie können 27 Staaten zusammenarbeiten? Es braucht eine gemeinsame Wertebasis und das ist das Christentum.

    Oliver Schenk

    Es ist wichtig, sich für dieses Europa einzusetzen. Es ist wichtig, dabei die christlichen Werte zu respektieren, wie die Menschenwürde, wie sie Papst Franziskus in der Erklärung „Dignitas Infinita“ kürzlich bekräftigt hat. Und wenn linke Kräfte christliche Werte, wie die Menschenwürde auch ungeborener Menschen in Frage stellen, müssen christliche Kräfte ein „Stoppschild“ setzen.

  • „Die Absicht der von den Ampelparteien eingesetzten Kommission, Menschen die volle Menschenwürde abzuerkennen, ist nicht akzeptabel.“ betont der Vorsitzende des Katholischen Arbeitskreises in der Sächsischen Union Mathias Kretschmer. Die Kommission hat das geliefert, was Grüne, SPD und FDP bestellt haben, eine Ausrede, warum man Menschen vor der Geburt töten darf.


    Die jüngste Erklärung des Vatikans „Dignitas infinita“ über die menschliche Würde betont die Absolutheit der menschlichen Würde unabhängig von allen Umständen. Eine von den Umständen abhängige Abstufung der Würde und daraus folgende Aberkennung des Lebensrechtes ist damit und auch mit Artikel 1 unseres Grundgesetzes nicht vereinbar.

    Wir begrüßen die Stellungnahme des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz vom 23.4.2024 mit der Forderung den Empfehlungen der Kommission nicht Folge zu leisten und dass Unionsabgeordnete im andern Fall das Verfassungsgericht anrufen wollen. Es muss jedoch daran erinnert werden, dass bereits die derzeitige Rechtslage ein Kompromiss ist, der über 100000 vorgeburtliche Kindstötungen im Jahr ermöglicht. Der Einsatz für den Schutz des Lebens ist und bleibt eine wichtige Aufgabe. Dazu gehört eine klare Demaskierung der politischen Kräfte, die glauben, die Menschenwürde zuteilen zu können.

    24.04.2024