Mein Blick auf die Deutsche Einheit – Auch scheinbar endgültige politische Weichenstellungen, wie die deutsche Teilung, sind korrigierbar

35 Jahre deutsche Einheit ist ein Fest zum Feiern, um zurückzuschauen, das Erreichte zu betrachten und ein Anlass, um nach vorn zu blicken.

Am dritten Oktober 1990 wurde der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes vollzogen und damit die scheinbar unüberwindliche deutsche Teilung, die seit dem Kriegsende 1945 bestand, beendet. Erich Honecker betonte, dass die Mauer noch 100 Jahre stehen würde, und führende Politiker der Grünen und der SPD sahen die deutsche Teilung als Strafe für die Verbrechen der Nationalsozialisten (nur dass die Wirkung dieser Strafe sehr ungleich zwischen den Deutschen verteilt war).

Es kam anders. Die Jahre 1989 und 1990 waren spannende Jahre des Zerfalls des kommunistischen Regimes. Im Frühjahr 1989 wurde in der DDR die sowjetische! Zeitschrift Sputnik verboten, weil dort offen über die Verbrechen der Stalinzeit berichtet wurde. Es folgte eine Kommunalwahl, bei der die vom Staat gewünschte Zustimmung nur durch offensichtliche Wahlfälschung erreicht wurde. Nach dem Abbau der Grenzanlagen in Ungarn suchten immer mehr DDR-Bürger den Weg in die BRD. Damals forderten Grüne eine Begrenzung des Zuzuges von Flüchtlingen aus der DDR und eine strenge Unterscheidung von politisch Verfolgten mit Anspruch auf Asyl und Wirtschaftsflüchtlingen.

Es kam zu ersten Demonstrationen z.B. in Dresden, Plauen und Leipzig, wobei die Demonstration am 9. Oktober in Leipzig einen Höhe- und Wendepunkt darstellte, was Dank mutiger Filmer in den ARD-Abendnachrichten verbreitet wurde. Zuvor hatte noch Egon Krenz mit einer chinesischen Lösung gedroht (Hinweis auf das Massaker in Peking im Juni 1989). Noch 2009 rühmte sich die Vorsitzende der sächsischen Linkspartei (also der SED-Nachfolgepartei), dass es das Verdienst! der SED war, nicht auf die Demonstranten geschossen zu haben. Daraus folgt: Diese Partei darf nie wieder in diese Versuchung gebracht werden und muss deshalb von der Macht ferngehalten werden!

Am 09.11.89 fiel die Mauer, die Grenzen waren offen. Obwohl es möglicherweise ein Missverständnis war, schufen Tausende Bürger in Berlin Fakten.

Im Dezember 1989 begrüßte Bundeskanzler Helmut Kohl vor der Ruine der Frauenkirche in Dresden die Teilnehmer der Kundgebung mit „Liebe Landsleute“. Damit war klar, das Ziel ist ein geeintes Deutschland. Schmierereien am sowjetischen Ehrenmal in Treptow schufen einen Anlass, um im Januar 1990 eine große Demonstration gegen „Rechts“, um das Ruder doch noch herumzureißen, zum Glück ohne nachhaltigen Erfolg.

Die Wahlen zur Volkskammer am 18. März gewann die Allianz für Deutschland, ein Wahlbündnis aus CDU, DSU und Demokratischen Aufbruch, das sich klar für eine Wiedervereinigung ausgesprochen hatte.

Dann ging es Schlag auf Schlag, 2+4 Verträge, Wirtschafts- und Währungsunion und dann am 3. Oktober vor 35 Jahren der formaljuristische Akt des Beitritts der DDR nach Art. 23 GG (damalige Fassung) zum Geltungsbereich des Grundgesetzes.

Es gab viele Stimmen, die meinten, das wäre zu schnell gegangen. Der Putsch im August 1991 gegen Gorbatschow zeigte beispielhaft, wie knapp das Zeitfenster war. Es ist das historische Verdienst von Helmut Kohl, dieses Zeitfenster konsequent genutzt zu haben.

Nach dem „Sonntag“ der Vereinigung Deutschlands folgten die Werktage. Die Bürger in den neuen Bundesländern mussten das Rechtssystem der BRD übernehmen. Die Anpassung der Wirtschaft, die seit über 40 Jahren als Planwirtschaft den Einflüssen eines Marktes entzogen war, führte zu Arbeitslosigkeit und zur Abwanderung junger Menschen. Der Prozess war also nicht schmerzfrei, aber letztlich erfolgreich. Das ist der Unterstützung aus den „alten“ Bundesländern aber vor allem auch der Tatkraft der Menschen in den „neuen“ Bundesländern, die die neuen Möglichkeiten und Freiheiten nutzten, zu verdanken.

1989 waren viele Altstädte in der DDR stark gefährdet. „Ruinen schaffen ohne Waffen“ war die zynische Beschreibung des Volksmundes. Schaut man sich heute z.B. Dresden (die Frauenkirche und das Schloss ist wieder aufgebaut), Meißen (die marode Altstadt sollte einer Plattenbausiedung weichen) oder auch Pirna und Görlitz an, dann sieht man, dass Kohls „blühende Landschaften“ Wirklichkeit geworden sind.

Als wir die ersten Male in den „Westen“ fuhren, fiel uns auf, dass die Orte hinter der Grenze farbiger wurden. Im „Osten“ waren die Orte Grau in Grau. Heute ist dieser Unterschied nicht mehr spürbar.  In den ersten Jahren war es immer etwas komisch beim Passieren der alten innerdeutschen Grenze die Postentürme zu sehen. Wir empfanden jedes Mal das Wunder, dass diese tödliche Grenze friedlich zu einer Linie auf der Landkarte ohne trennende Wirkung reduziert wurde. Das haben wir auch unseren Kindern immer wieder an diesen Stellen gesagt. Diese waren aber bald genervt und gelangweilt. Es ist schön, dass für unsere Kinder die deutsche Einheit und die Freiheit so selbstverständlich ist.

Zu den „blühenden Landschaften“ gehört auch die dramatische Verbesserung der Sauberkeit von Luft und Gewässern, die durch die sozialistische Planwirtschaft mit ihren Mangelerscheinungen an vielen Orten stark verschmutzt waren.

Heute stehen wir in Deutschland wieder vor großen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen. Die Geschichte der deutschen Wiedervereinigung zeigt, dass anscheinend unabänderliche politische Weichenstellungen, wie es die deutsche Teilung war, korrigierbar sind. Der Freiheitswille der Menschen kann stärker sein als Mauern und Stacheldraht. In der sozialen Marktwirtschaft können die Menschen ihre Talente in Freiheit entfalten und die Schaffung von Wohlstand mit dem Erhalt der Schöpfung verbinden. In diesem Sinne gilt es den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.

Dr. Holger Rautschek